
Endlich produktiv mit KI arbeiten – AI-Agents machen es möglich
Nein, eine „Zeitenwende“ ist es nicht, die uns im Bereich GenAI 2025 erwartet. Es ist mehr. Ein ganz neues Zeitalter steht an – zumindest wenn man Menschen wie Sundar Pichai folgt. Der Google-CEO hat für das gerade beginnende Jahr das „Age of Agents“ ausgerufen – das Zeitalter der KI-Agenten. Und Pichai ist damit nicht allein: OpenAI-CEO Sam Altman etwa nennt KI-Agenten „the next giant breakthrough“.
Nur zwei Jahre nach dem Start von ChatGPT und somit von GenAI als Massentechnologie gleich ein neues Zeitalter? Das klingt zunächst nach sehr breitschultrigem Marketing. Und „gigantische Durchbrüche“ waren in den vergangenen zwei Jahren auch eher spärlich gesäht, zumindest was Produktivität von GenAI angeht.
Allerdings birgt der neue Technologiesprung (wir erklären ihn weiter unten) tatsächlich ein großes Potenzial in genau der Hinsicht: nämlich, dass Generative KI endlich auch wirtschaftlich gewinnbringend wird.
Nur in einem von vier Unternehmen lohnt sich KI bisher wirtschaftlich
Eine Untersuchung von Boston Consulting vom Herbst hat erneut bestätigt, dass es bisher genau hieran hapert: Nur jedes vierte Unternehmen, das KI einsetzt, habt demnach schon echten ökonomischen Nutzen aus der Technologie gezogen. Das hat drei Gründe: erstens, dass KI noch völlig unselbständig ist. Die meisten kennen es von Chatbots wie ChatGPT: Sie erledigen nur, was wir ihnen vorgeben, denken aber keinen Schritt weiter. Das führt zweitens dazu, dass es noch viel menschlichen Input braucht – zu viel für nachhaltige Effizienzgewinne. Zumal drittens die meisten Systeme noch so unpräzise arbeiten, dass sie immer wieder Fehler machen.
„Despite the hype around AI in recent years, the technology’s disruptive impact has been fairly modest“, kommentierte das US-Expertenportal singularityhub.com zu Weihnachten daher auch fast schon enttäuscht.
Heißt zusammengefasst: Mit ihren rasanten Entwicklungen hat KI, vor allem GenAI, zwar für Aufsehen gesorgt. Die verheißenen Produktivitätssteigerungen allerdings sucht man vergebens. Und auch die meisten Berufsbilder sehen weitgehend noch so aus wie in der Vor-ChatGPT-Zeit. Genau das sollen AI Agents nun ändern.
So funktionieren AI Agents
Was aber unterscheidet KI-Agenten von „herkömmlicher” KI? Marc Benioff, CEO des Software-Konzerns Salesforce, formulierte es neulich sehr passend so: „Erstmals bietet Technologie nicht nur Werkzeuge für Menschen, um Arbeit zu erledigen. Nun geht es um intelligente, skalierbare digitale Arbeitskräfte, die selbstständig Aufgaben erledigen. Anstatt auf unsere Eingaben zu warten, können Agenten (…) eigenständig handeln, indem sie sich anpassen und dabei lernen.“
Definition „AI Agents“
Unter KI-„Agenten“ versteht man digitale Assistenten, die
- selbstständig Aufgaben erledigen können und dabei in der Lage sind, von sich aus aktiv zu werden – im Gegensatz dazu reagieren Chatbots ja nur 1:1 auf das, was wir von ihnen verlangen
- in der Lage sind, diverse Aufgaben in Serie zu erledigen
- aus ihrem Handeln und der Interaktion lernen – und in der Regel eine „steilere Lernkurve“ haben, da sie ja ausschließlich mit spezifischen Organisationsthemen zu tun haben
Eigene Chatbots wie CustomGPTs sind im Sinne dieser Definition keine Agents, da sie nicht von sich aus aktiv werden. Die anderen Aspekte jedoch treffen auf sie zu.
Eigenständig handeln kann die Technologie zwar (noch) nicht bei komplexen oder strategischen Fragen, sehr gut aber bei Detailaufgaben der Kategorie „notwendiges Übel“, die unverhältnismäßig viel menschliche Arbeit verschlingen. Derart aufwändige Standardprozesse haben selbst kleine Mittelständler vermutlich Dutzende – entsprechend groß dürfte der Hebel von AI-Agents sein:
- selbstständig Aufgaben erledigen können und dabei in der Lage sind, von sich aus aktiv zu werden – im Gegensatz dazu reagieren Chatbots ja nur 1:1 auf das, was wir von ihnen verlangen
- in der Lage sind, diverse Aufgaben in Serie zu erledigen
- aus ihrem Handeln und der Interaktion lernen – und in der Regel eine „steilere Lernkurve“ haben, da sie ja ausschließlich mit spezifischen Organisationsthemen zu tun haben
Eigene Chatbots wie CustomGPTs sind im Sinne dieser Definition keine Agents, da sie nicht von sich aus aktiv werden. Die anderen Aspekte allerdings treffen auf sie zu.
Das kann die Technologie zwar (noch) nicht bei komplexen oder strategischen Fragen, sehr gut aber bei Detailaufgaben der Kategorie „notwendiges Übel“, die unverhältnismäßig viel menschliche Arbeit verschlingen. Derart aufwändige Standardprozesse haben selbst kleine Mittelständler vermutlich Dutzende – entsprechend groß dürfte der Hebel von AI-Agents sein:
Ein Beispiel: Unser Agent spart pro Jahr einen Monat menschliche Arbeit
Wir arbeiten bei einem Kunden aktuell an einem Agent, der bei Krankmeldungen von Mitarbeiter:innen direkt alle nötigen Schritte prozessiert. Bisher kommt die Krankmeldung per Mail rein, und muss dann zur Ressourcenplanung, für die Sozialversicherung und zur generellen Info im Team in drei verschiedenen Tools verarbeitet werden – von Slack bis zum ERP, also der kaufmännischen Software.
Diese Administration pro Krankheitstag dauert ca. 10 Minuten. Bei 5 Krankheitsfällen pro Tag entfiel bisher bei der Firma jährlich rund ein ganzer Monat Arbeitszeit allein auf diese eine, extrem repetitive Aufgabe. Ein AI-Agent, der die Prozesse übernimmt, spart also im Jahr fast ein Monatsgehalt – „fast“, weil man die menschliche Qualitätssicherung noch einrechnen muss.
Weitere Beispiele für AI-Agents, die auch bei Unternehmen Mehrwert stiften:
- Ein HR-Assistent, der eingehende Bewerbungen erfasst, sie offenen Stellen zuordnet, Anschreiben und Lebensläufe (nachdem er die sensiblen Daten geschwärzt hat) bewertet und direkt eine Empfehlung an die menschlichen Recruiter:innen schickt – am besten samt passendem Vorschlag für die Antwortmail.
- Ein digitaler Sales-Junior, der bei Erstgesprächen mithört, danach den Vertriebler:innen Vorschläge für Debriefing und nächste Schritte macht und nach ihrem Go selbständig ein Angebot oder ähnliches schreibt. Die Infos dazu holt er sich aus den firmenspezifischen Tools und Daten.
- Für den Kundenservice gibt es einen recht bekannten Case des Online-Versicherers Nsure. Dort bearbeitet der Agent „Friendly Joe“ bereits 60 Prozent der Kundenanfragen. Langfristig, erwarten sie bei dem US-Unternehmen, können dieser und andere Agents vier von fünf Stellen in den standardisierten Service-Funktionen einsparen.
- In Research- oder Content-Projekten entwickelt sich ChatGPT „Tasks“ zu einem spannenden Feature: Hierbei handelt es sich um eine Anfang 2025 eingeführte Automatisierungsfunktion in ChatGPT, über die der Bot wiederkehrende Aufgaben erledigt, ohne dass wir ständig eingreifen müssen. Mehr hierzu steht in unserem separaten Blogbeitrag zu ChatGPT „Tasks“.
- Im Projektmanagement setzt etwa McKinsey AI-Agents sehr umfassend ein. Und zwar sind die Prozesse beim Onboarding neuer Kunden entsprechend AI-automatisiert. Die Agents übernehmen den Papierkram – etwa die Abstimmungen mit der Rechtabsteilung, dem Personabereich oder dem Risk Management. Zeitersparnis im Vergleich zum Menschen: 70 Prozent.
- Ein virtueller Office Concierge, dem Mitarbeiter:innen Fragen stellen können, wenn sie sich mit täglichen Prozessen nicht auskennen. Der AI Agent liefert die Antworten auf Basis des kuratierten Firmenwissens, hilft beim Ausfüllen von Vorlagen oder stößt nötige Prozesse an – etwa die Reisebuchung. Alles Kleinkram, die bisher das Office Management aufgehalten haben.
Den letztgenannten Agent haben wir bei uns schon im Einsatz. Als eine Art „Nutshell Concierge“ entlastet er Office Management und Geschäftsleitung. Vor allem beantwortet Justus, so haben wir ihn genannt, Fragen zum Onboarding-Prozess und zu unserer Agentursoftware und hilft Mitarbeitenden, Alltags-To-Dos schneller zu erledigen.
Drei Voraussetzungen für einen funktionierenden Agent
Technisch lässt sich am „Nushell Concierge“ gut erklären, worauf es technologisch ankommt:
- Der Kern fast aller KI-Agenten ist ein Large Language Model – wir etwa nutzen ChatGPT in der API-Variante. Viele Systeme laufen auch auf Basis der Open-Source-KI Llama aus dem Meta-Konzern.
- Damit der Agent Aufgaben und Optionen kennt und die auswählen kann, nutzen wir die Prozessautomatisierungs-Software Zapier. Je nach Setup eigenen sich hier auch LLM-basierte Lösungen wie CustomGPTs oder Eigenentwicklungen. Letztere werden immer einfacher, weil baukastenartige No-Code-/Low-Code-Lösungen IT-Entwicklung inzwischen (fast) ohne Coding-Kompetenz erlaubt.
- Der wichtigste Punkt: Das relevante Firmenwissen muss möglichst vollständig und strukturiert zugänglich sein. Wir hatten beispielsweise an verschiedenen Orten mehr als drei Dutzend Dokumente, die im Onboarding wichtig waren. Teilweise waren sie widersprüchlich, die Aktualität war zudem sehr unterschiedlich. Bevor der Concierge seinen Dienst antrat, haben wir (unterstützt von KI) erst einmal unser Wissen aufgeräumt.
Technologisch haben bisher die Punkte 1 und 2 gebremst: Die Denkfähigkeiten von LLMs waren begrenzt, was mehrstufige, selbständige Agents unmöglich machte. Erst Modelle wie o1 von OpenAI, Googles Gemini 2, Claude 3.5 Sonnet oder das neue R1 vom chinesischen DeepSeek sind so leistungsfähig, dass man damit Agents bauen kann. Im Bereich Prozessautomatisierung gibt es ähnliche Fortschritte.
Bleibt die Frage: Wie baut man einen eigenen AI Agent? Und vor allem: Welchen?
Ein Agent-Setup sollte sich immer am Business-Case orienteren. Am besten fängt man also an, zu analysieren, in welchen Bereichen ein sehr hoher menschlicher Workload existiert, den man – weil repetetiv – mit KI automatisieren kann. Zumeist bietet es sich an, so unsere Erfahrung, mit standardisierten To-Dos aus Vertrieb, HR oder Backoffice zu starten. Auch Marketing-Cases eignen sich oft gut, weil das Arbeiten hier sehr textbasiert und damit KI-tauglich ist.
Im zweiten Schritt definieren wir mit unseren Kunden die Entscheidungsräume der KI, den gewünschten Output und den dafür nötigen Input – in der Regel sind dies Firmendaten.
Anchließend gilt es, die richtigen Tools zusammenzuschalten. Wie das gelingt, das würde hier den Rahmen sprengen. Bei unserem Office Concierge sind es jedenfalls ChatGPT, Zapier, Slack und Google Drive. Setup, Training und Rollout des Concierges haben etwa drei Personentage erfordert – die initial notwendige Aufbereitung der Firmendaten nicht eingerechnet.
Die Idee der selbständigen AI Agents mag durchaus noch etwas abgehoben, oder sogar beklemmend wirken. Und zweifellos gibt es auch Gründe skeptisch zu sein:
- Weil auch Agents Gefahr laufen, zu halluzinieren. Was bei einem reaktiven Chatbot schon lästig genug ist, kann bei selbständigen Systemen enorme Risiken bedeuten.
- Weil der Energieverbrauch von Agents aufgrund der vielen Abfragen an die LLMs viel höher ist als bei „klassischen“ GenAI-Anwendungen.
- Weil es einiges an menschlicher Ressourcen braucht, um die Ergebnisse der Agents zu verifizieren. Einige KI-Firmen arbeiten bereits an „Wächter-Agents“, um mit KI die KI zu kontrollieren.
Aber diese Probleme erscheinen lösbar – und die Vorteile der Technologie überwiegen bei weitem: Wer sein Unternehmen oder seine Unit auf die nächste Produktivitätsstufe heben will, wird absehbar AI-Agents brauchen.
Viele Techkonzerne haben das längst verstanden: Nvidia etwa, einer der größte KI-Treiber, hat im Dezember bekannt gegeben, 100 Millionen neue Mitarbeiter für spezelle Aufgaben onboarden zu wollen. Gemeint sind allerdings keine Menschen, sondern digitale Mitarbeiter – AI-Agents eben.