
Kollege KI: So flüstert er dir, was du unbedingt wissen musst
Stell dir vor, du hättest einen Kollegen, der 24/7 nichts Anderes zu tun hat, als dir zu helfen, deinen Job noch besser zu machen. Er hat immer Zeit für dich, ist extrem gut ausgebildet, beherrscht Tausende Skills, ist wunderbar logisch und gibt selbstlos auch noch all sein Wissen Preis, nur damit du glänzen kannst. Richtig angewendet, ist GenAI genau das. In der neuen Folge von „KI für Könner“ erklärt Tanja Braemer, wie man GenAI-Tools als Sparringspartner nutzt – nützliche Prompts fürs direkte Testen inklusive. Hier gibt es die Kolumne wie gewohnt ohne Paywall zum Nachlesen:
Wenn es um die Qualitäten von KI geht oder, anders gesagt, um die Use Cases, bei denen uns GenAI effizienter macht, kommen uns oft erst mal fertige Assets in den Sinn. Also Text, Bild, Video und so weiter. Aber KI hat noch ganz andere Stärken.
Wer weniger auf fertige Text-, Bild- oder Video-Ergebnisse aus ist, kann KI auch als mehr begreifen als als Inhalte-Maschine. Wir können KI auch nutzen, um die eigenen Arbeitsergebnisse gezielt auf den Prüfstand zu stellen. Hier ist das Ziel, auf etwas reagieren zu können, was eigentlich noch in der Zukunft liegt, was die KI aber basierend auf Ihren Angaben schon jetzt antizipieren kann.
Du kennst dann zum Beispiel schon die Antworten auf die Fragen deines Publikums, bevor du das Projekt überhaupt präsentiert habst oder weißst schon vorab, wie du ein Risiko in einem Projekt in die Planungen einkalkulierst. Smart, oder?
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Warum KI besonders gut als kritischer Sparringspartner funktioniert
Künstliche Intelligenz kann menschliches Urteilsvermögen zwar nicht ersetzen. Was sie aber kann: unsere Sichtweise und damit uns selbst auf den Prüfstand stellen. Weil sie datenbasiert arbeitet, kann sie in Sekunden umschalten von einer Sicht auf die Dinge auf eine andere. Wie profitieren wir von dieser Qualität konkret, wenn wir unsere Arbeitsergebnisse aufs nächste Level bringen wollen?
1. Persönliche Vorurteile sind passé
Künstliche Intelligenz bewertet (mit Einschränkungen, wenn wir mögliche Verzerrungen in den Trainingsdaten einmal hintanstellen) insofern neutral, dass sie, anders als wir, keinen direkten oder gar emotionalen Bezug zum Arbeitsergebnis hat. Wir alle kennen das Phänomen, „betriebsblind“ zu werden oder eigene Fehler zu übersehen – die KI bleibt stets nüchtern und beurteilt analytisch kühl, wo uns vielleicht unser (falscher) Stolz daran hindert, Schwächen in der eigenen Arbeit zu erkennen. Dadurch kann sie kritisch auf Schwachstellen blicken und diese aufdecken.
2. KI greift auf riesige Datenmengen und Best Practices zurück
Die hinter den gängigen KI-Tools stehenden Large Language Models werden mithilfe riesiger Datenmengen trainiert. Wenn wir sie nutzen, greifen wir also auf eine enorme Menge an Wissen zurück – konkret auf Hunderttausende Texte, Projekte oder Designs, die schon in der Welt sind. Wer noch dazu den Web-Zugriff z. B. in ChatGPT aktiviert, zapft einen immensen Informationsschatz an. Die KI entdeckt darin im Abgleich mit unseren Arbeitsergebnissen Muster, Abweichungen und Verbesserungspotenziale, die uns mangels Überblick oder auch Erfahrung entgehen würden. Fehler, Lücken oder Optimierungsmöglichkeiten, die wir vielleicht übersehen, sind so leicht zu entdecken.
3. KI ist immer in Form
Na gut, hier muss man zumindest in Zeiten hoher Server-Auslastung (und leider auch oft noch bei Microsoft Copilot …) durchaus Abstriche machen. Was aber stimmt: Während Menschen je nach Tagesform, Stimmung oder auch unter Zeitdruck unterschiedlich kritisch prüfen, analysiert KI nach klar definierten Kriterien, die noch dazu von uns via Prompts steuerbar sind. KI kennt keine Müdigkeit oder persönliche Befindlichkeiten und lässt sich auch nicht ablenken. Die Qualität der Überprüfung bleibt, mit den eben genannten Abstrichen, konstant hoch – unabhängig von äußeren Einflüssen oder deiner Tagesform.
4. Widersprüchlichkeiten haben keine Chance
KI kann besonders gut logische Brüche und Inkonsistenzen in Texten, Daten oder Argumentationen aufdecken. Wenn Aussagen nicht zusammenpassen oder Annahmen nicht schlüssig begründet werden, fällt das der KI in jedem Fall auf.
5. KI setzt sich problemlos jede beliebige Brille auf
KI hat, weil sie mithilfe großer Datenpools trainiert ist, Informationen zu unendlich vielen verschiedenen Professionen, Hintergründen, Expertisen und vielem mehr. Das ermöglicht es ihr, sich quasi in jede beliebige Person oder Zielgruppe oder in jede beliebige Rolle hineinzuversetzen.
Nehmen wir zum Beispiel eine Präsentation, die d vor Teamkolleg:innen halten willst. Du möchtest schon im Vorfeld wissen, ob alles verständlich ist und ob dein Team die Ideen unterstützen würde. Wenn du der KI im Prompt genau beschreibst, wer zuhört, was vielleicht die besonderen Interessen, die beruflichen Hintergründe oder auch die Pain Points Ihres Publikums sind, kann das Tool deiner Wahl mit dem Trainingsdatenschatz im Rücken spielend deren Perspektive auf dein Thema einnehmen. Wenn du die Einwände dann schon kennst, kannst du dich noch besser auf die eigentliche Präsentation vorbereiten – denn die KI kann natürlich auch die passenden Antworten oder Modifizierungen für deine Präsentation ausgeben.
Bei uns finden Sie für Ihr Team die passenden Seminare
In unseren individuellen KI-Seminaren lernen Einsteiger und Profis den praktischen Einsatz von GenAI, üben den Umgang mit relevanten Tools und erfahren wichtige Hintergründe – auf Deutsch oder Englisch.
KI als verbündeten Kritiker einsetzen: 5 Cases
Kritische Rückmeldungen, blinde Flecken und potenzielle Schwächen einer Strategie oder eines Projekts aufdecken: Hier sind verschiedene Szenarien denkbar. Passend dazu gibt es jetzt die geeigneten Prompts, die schnell gute Ergebnisse liefern.
Szenario 1: Annahmen offenlegen und gezielt hinterfragen lassen
Formuliere deine zentrale Marketing-Hypothese und bitte z. B. ChatGPT, versteckte oder problematische Annahmen zu identifizieren und zu analysieren. Fordere die KI zum Beispiel auf, die drei fragwürdigsten Annahmen in deinem Konzept zu identifizieren. Lass das Tool auch genau erklären, warum diese problematisch sind. Prompte also:
„Hier ist meine Marketingstrategie: [Beschreibung]. Bitte identifiziere die drei fragwürdigsten Annahmen darin und erläutere, warum sie problematisch sein könnten.“
Was könnte dieser Annahme widersprechen?”
Szenario 2: ChatGPT und Co. als „Devil’s Advocate“ einsetzen
Bitte die KI, deine Idee aus einer kritischen Perspektive zu beleuchten und starke Gegenargumente zu benennen. Ein beispielhafter Prompt für diese Aufgabe könnte sein:
„Wir planen eine Social-Media-Kampagne mit folgenden
[ Zielgruppen ]
[ Zielen ]
[ Inhalten ]
[ Kanälen ]
[ Kernbotschaften ]
[ Contents ]
[ etc. ]
für Produkt X [ Beschreibung ]. Wenn mich jemand überzeugen wollte, dass diese Kampagne eine schlechte Idee ist, was wären die stärksten Argumente dagegen?“
Du kannst entweder gleich im ersten Schritt/Prompt oder im Anschluss an die erste Prompt-Runde die passenden Erwiderungen auf die Gegenargumente oder auch Anpassungsvorschläge für die Kampagne entwickeln lassen.
Szenario 3: Analyse aus verschiedenen Perspektiven
Lass ChatGPT in die Rolle unterschiedlicher Zielgruppen oder auch Stakeholder schlüpfen und aus deren Sicht Kritikpunkte formulieren. Ein Beispiel-Prompt wäre:
„Beurteile unsere geplante Kampagne mit folgenden [ Zielgruppen ]
[ Zielen ]
[ Inhalten ]
[ Kanälen ]
[ Kernbotschaften ]
[ Contents ]
[ etc. ]
für Produkt X [ Beschreibung ] aus Sicht eines preisbewussten Kunden, eines loyalen Bestandskunden und eines kritischen Branchenbeobachters. Welche Einwände könnten jeweils kommen, was würde die jeweilige Gruppe gut daran finden?“ Auch hier kannst du im nächsten Schritt die Argumente und Optimierungen an der Kampagne von der KI entwickeln lassen.
Szenario 4: Pre-Mortem-Analyse und Worst-Case-Szenarien
Jetzt kommt eine Zeitreise mit einem unangenehmen Ziel: Bitte die KI, anzunehmen, dass deine Strategie oder dein Projekt krachend gescheitert ist. Frage nach möglichen Gründen, beschreibe auch hierzu dein Vorhaben möglichst genau:
„Angenommen, unsere Markteinführung für das Produkt X [ Beschreibung ] ist gescheitert. Was könnten die wichtigsten Gründe dafür gewesen sein und wie könnten wir diese Risiken jetzt adressieren bzw. reagieren?”
So bekommst du schon zu einem frühen Projektstadium eine Vorstellung davon, worauf du dich besser schon jetzt vorbereiten und welche Herausforderungen du wie beantworten könntest. Wenn du Lust auf ein Experiment haben, ergänze im Prompt noch die sogenannte Temperatur. Sie bestimmt, wie kreativ oder konventionell die Antwort der KI ausfällt. Die Werte können zwischen 0 (wenig kreativ) und 1 (sehr kreativ) liegen. Im Prompt stellst du dazu ans Ende einfach „Temperatur: (Wert 0-1)”.
Szenario 5: Beweislast und Evidenz prüfen
Frage die KI, welche Belege deine Annahmen (in einem Projekt/einer Strategie) stützen oder welche sie widerlegen könnten. Ein Beispiel-Prompt für dieses Szenario könnte lauten:
„Welche Beweise wären nötig, um zu zeigen, dass unsere Kampagne auch tatsächlich die gewünschte Zielgruppe erreicht? Wie gut sind die aktuell verfügbaren Daten?”
Behalte dabei wie bei allem anderen, was du mit KI bearbeitest, bitte im Hinterkopf, dass auch die Ergebnisse von KI-Tools immer sorgfältig überprüft werden müssen. Daten und Fakten lassen sich z. B. in Perplexity einfach über die Quellenangaben überprüfen.
Achtung: Datenschutz!
Die Arbeit mit KI im Unternehmenskontext hat natürlich Grenzen, das an dieser Stelle als kleiner Reminder. Die Compliance setzt in vielen Fällen klare Leitplanken, der EU AI Act wird immer wichtiger und die KI selbst bringt ebenfalls Limitationen mit sich: Personenbezogene Daten, Firmengeheimnisse oder sonstige sensible Informationen gehören nicht in offene KI-Systeme! Entferne Namen, Daten und Vertrauliches oder anonymisiere die Daten sorgfältig. Lade nichts hoch, von dem du glaubst, dass es nicht in fremde Hände gehört. Ansonsten besteht zumindest theoretisch die Gefahr, dass deine Informationen in den KI-Ergebnissen anderer User:innen auftauchen. Wenn du im Unternehmen auf eigene KI-RAGs oder Microsoft Copilot zurückgreifen kannst, hat das den Vorteil, dass Daten im Rahmen der Datenschutzbestimmungen der genutzten Technologien und der Rechte-Rollen geschützt sind. Die Nutzung von MS Copilot etwa ist genauso datenschutzkonform wie die Nutzung der Office-Anwendungen. Weltwissen und Firmenwissen können hier sicher angezapft und eingespeist werden, was einen ordentlichen Mehrwert mit sich bringt.
Trotzdem: Auch wenn du deine Daten vielleicht nicht vollständig oder nur anonymisiert in ein offenes K-System einspeisen kannst, klappen Perspektivwechsel und kritisches Sparring wirklich gut. Wir wünschen viel Spaß beim Ausprobieren!
Bildquelle: Midjourney/Disruptive