
Mistral – das kann Europas Antwort auf DeepSeek
Alle Welt redet über DeepSeek, doch aus Unternehmenssicht ist viel spannender, was in den vergangenen Tagen im Schatten der angeblichen Super-KI aus China passiert ist.
- Ist Mistral neu?
- Warum ist Le Chat so schnell?
- Wo stößt Le Chat an Grenzen?
- Was kostet Le Chat?
- Warum erstellt Mistral so gute Bilder?
- Was hat es mit den KI-Agents bei Mistral auf sich?
- Wie ist es nach dem DeepSeek-Hype geopolitisch einzuordnen?
Das französische KI-Startup Mistral hat die neue Version seines Chatbots „Le Chat“ gestartet, und die kann es erstmals mit den führenden US-Modellen aufnehmen. Sechs Gründe:
- weil das Sprachmodell hinsichtlich Ausdrucksvermögen, Kombinatorik und Umfang des Wissens mit den weltweit gebräuchlichsten Modellen wie ChatGPT 4o oder Gemini ebenbürtig ist.
- weil Le Chat ChatGPT & Co in puncto Geschwindigkeit sogar abhängt
- weil es in der Basisversion kostenlos ist, sogar inklusive Zugriff auf die neuesten Versionen von Mistral
- weil das Tool, das man übrigens ausspricht wie die französische „Katze“, seit diesem Update endlich über Apps mit einfachen Interfaces für Android und iOS verfügt.
- weil – und das ist für alle Entwickler:innen wichtig – Le Chat Open Source ist, also leicht zu integrieren in eigene Anwendungen.
- weil es einige Features bietet, die über ChatGPT hinausgehen – konkret im Bereich Agentic AI und Bildgenerierung.
Ist Mistral neu?
Nein, das vom französischen Ingenieur Arthur Mensch gegründete Start-up gibt es seit 2023. Mensch, der wie zwei Mitgründer zuvor bei Meta und Google DeepMind beschäftigt war, gilt in Frankreich schon lange als KI-Wunderkind und Vorzeige-Unternehmer an der Seite von Emmanuel Macron.
Allerdings war sein Chatbot bisher nicht so einfach und intuitiv nutzbar wie etwa ChatGPT. Auch der KI-Bot von OpenAI hat sich ja bekanntlich erst in dem Moment weltweit durchgesetzt, als das Interface so simpel war, wie wir es von Tools wie WhatsApp oder Google kennen. Genauso verhält es sich nun auch mit Le Chat.
Warum ist Le Chat so schnell?
Viel Aufmerksamkeit haben die sogenannten „Flash Answers“ bei Mistral erzeugt. Die KI ist in der Lage, Antworten mit einer Geschwindigkeit von bis zu 1.000 Wörtern pro Sekunde zu erstellen. Nicht dass irgendjemand so schnell mitlesen könnte, aber beeindruckend ist es schon … ChatGPT liegt bei <100 Wörtern. Eigenen Angaben zufolge ist Mistral damit aktuell der schnellste GenAI-Chatbot weltweit.
Technologisch funktioniert es so, dass häufig vorkommende Fragen und Antworten zwischengespeichert werden, um die Antwortzeiten zu verkürzen. Außerdem ist, folgt man Mistral, die IT-Infrastruktur bewusst skalierbar gebaut.
Das heißt, dass bei einfachen Fragen nur wenig Rechenpower beansprucht wird, weil die Antwort mehr nicht braucht. Damit steht für andere, parallel einlaufende Fragen anderer User mehr Leistung zur Verfügung. Genaue Zahlen nennt Mistral nicht, aber das Tool arbeitet im Hintergrund also offenbar effizienter als Standard-Chatbots.
Vergleicht man Mistral und ChatGPT mit einem Auto, dann wäre es so, als legte der US-Chatbot immer sofort den höchsten Gang ein, um hochtourig mit maximaler Leistung loszusprinten, während Le Chat vorausschauend nur so hoch schaltet, wie es in der Situation nötig ist.
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Wo stößt Le Chat an Grenzen?
Wie oben schon geschrieben, kann die KI von Mistral auch mit den neuen Modellen o1 oder o3 von ChatGPT noch nicht ganz mithalten. Das liegt daran, dass Le Chat ein Reasoning-Modell fehlt – wie es ChatGPT o1 oder o3 sind. Einen wirklichen Unterschied im Alltag macht das allerdings für kaum jemanden, da die Reasoning-Modelle für 99 % aller Anfragen ohnehin überqualifiziert sind und nur unnötig viel Rechenpower brauchen. Nur bei wirklich komplexer Logik und verschachtelten Aufgaben stößt das Tool an Grenzen.
Klassiker der KI-Tests wie die WM-1962-Challenge oder das Matherätsel der Joggerin im Englischen Garten (beide hier mit DeepSeek durchgespielt), erfüllt es mit Bravour.
Am Reasoning arbeitet das Team um Gründer Arthur Mensch angeblich mit Hochdruck – wohl wissend, dass die neue Nachdenk-Funktion bei ChatGPT oder DeepSeek aktuell als wichtigstes Feature gilt, um Chatbots wirklich businessreif zu machen. Was uns viel mehr stört: Auf einen Sprachassistenten müssen wir aktuell noch verzichten, man kann noch nicht einmal gesprochene Sprache eingeben, die Le Chat dann in Textform beantwortet.
Was kostet Le Chat?
Wie beschrieben ist die Nutzung kostenlos – anders als etwa bei Perplexity oder ChatGPT sogar inklusive der schnellsten Modelle. Allerdings sind die Nutzung von Flash Answers, Web Browsing und Bildgenerierung limitiert. Genaue Grenzen gibt Mistral nicht ab, wir sind bisher aber nicht an ein Limit gestoßen. Wer das Tool garantiert unlimitiert nutzen möchte, zahlt für die „Pro“-Version 15 Euro pro Monat. Team-Lizenzen kosten 25 Euro. Hier die Preisübersicht von Mistral.
Warum erstellt Mistral so gute Bilder?
Ein Chatbot, der gute Bilder kreiert? Nach den eher frustrierenden Erlebnissen, die DALL-E (von ChatGPT), Gemini oder der „Visual Creator“ in Microsoft Copilot bisher geliefert haben, dürfte die erste Reaktion zunächst skeptisch sein.
Doch tatsächlich scheint Mistral es seit dem Release seines neuesten multimodalen Sprachmodells Pixtral Large zu gelingen, zu den führenden Bild-KI-Anbietern wie Midjourney aufzuschließen. Geschafft haben dies die Franzosen, indem sie die nötige Technologie dazugekauft haben – und zwar von einem deutschen Unternehmen: Flux heißt die Firma aus dem (Frankreich zumindest geografisch ja sehr zugewandten) Schwarzwald, deren Bild-KI Mistral integriert hat.
Wir haben den Test gemacht und – passend zum Spitznamen der Mistral-KI – vier Chatbots diesen Prompt gegeben: „Create a realistic image of a cat sipping tea sitting in front of a window on a rainy day in Paris.“

ChatGPT und Copilot verharren im üblichen reduzierten Comic-Stil und bilden, wie üblich bei solchen Motiven, Stereotype ab (hier den Eiffelturm). Gemini ist fotorealistischer,allerdings schwebt die Tasse sonderbarerweise vor der Tatze der Katze.
Mistral hingegen gelingt nicht nur ein in Detailgrad, Realismus und Stimmung gelungenes Bild zu erstellen – die Tee trinkende Katze hat auch noch einen sehr menschlichen Habitus, der zur Situation passt.
Was hat es mit den KI-Agents bei Mistral auf sich?
Mistral erlaubt die Konfiguration sogenannter Agents. Agentic AI gilt als nächste Stufe der KI-Entwicklung und beschreibt KI-Tools, die selbständig eine oder mehrere Aufgaben erfüllen können. CustomGPTs und später „ChatGPT Tasks“ waren dabei der Anfang, Mistral setzt die Entwicklung fort. Man kann sich, auch in der Gratis-Version, diverse Agents konfigurieren, und die in Le Chat integrieren. Dazu muss man nur die @-Taste drücken.
Agents erstellt man über ein eigenes Interface, „La Plateforme“ genannt, hier hilft ein gewisses IT-Grundwissen. Wir testen gerade diverse Ansätze, unter anderem einen automatischen Übersetzer, der das entsprechende Corporate Wording des Unternehmens beherrscht. Update folgt.
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Wie ist Mistral nach dem DeepSeek-Hype geopolitisch einzuordnen?
Das neue Le Chat ist ein großer Sprung für die europäische KI-Welt – und kommt zu einem ganz wichtigen Zeitpunkt: Mehrere Medien bezeichneten es sogar schon als „Europas Antwort auf DeepSeek“.
Mindestens genauso wichtig wie die technologische ist dabei die geopolitische Perspektive: Zuletzt hatten im globalen KI-Wettrennen nur die USA und China den Takt vorgegeben (die Stichworte: „Stargate“ und „DeepSeek“). Nun gelingt es Europa zum zweiten Mal in kurzer Zeit, selbst mal wieder für Aufmerksamkeit zu sorgen.
Das erste Mal fand, wenige Tage zuvor, der internationale „AI Action Summit“ in Paris statt: Mehr als 200 Milliarden Euro Investitionszusagen für europäische KI waren dort zusammengekommen (immerhin 40 % der „Stargate“-Verheißungen von Donald Trump), zudem hat der französische Premier Emmanuel Macron den Startschuss für Europas größten KI-Campus in Paris gegeben.
Solche Maßnahmen sind notwendig, da Europa eine eigenständige KI-Infrastruktur braucht – und die besteht erstens aus Rechenzentren, zweitens starken Universitäten und drittens einer konkurrenzfähigen europäischen Open-Source-KI. Zumindest letztere rückt Europa mit Mistral aktuell wieder ein Stückchen näher.
Bildquelle: von einer KI erstellt/disruptive
