Kreativ arbeiten mit KI – so geht's – Symbolbild für den Start ins KI-Zeitalter

Auf die Plätze, fertig, prompt! Kreativ arbeiten mit KI – so geht’s

Was oft als Widerspruch abgetan wird, ist gar keiner: In der aktuellen Ausgabe der W&V-Kolumne „KI für Könner“ gibt unsere Kollegin Tanja Braemer eine Anleitung, wie man gemeinsam mit generativer KI das Kreativitäts-Game bei der Kampagnenentwicklung aufs nächste Level hebt. Hier gibt es die Kolumne, wie gewohnt, Paywall-frei, zum Nachlesen.

Zeit und Kosten sparen: Deutsche Unternehmen sehen generative Text-KIs wie ChatGPT vor allem als Effizienz-Booster. Das zeigt eine aktuelle Umfrage, die wir von disruptive gemeinsam mit dem KI-Anbieter retresco gerade veröffentlicht haben. Hier ging es nicht nur um die Frage, was sich die Teilnehmenden von der Technologie im Arbeitsalltag erwarten, wie intensiv sie diese aktuell nutzen und welche Erfahrungen sie damit machen. Vor allem hat uns interessiert, wie reif das eigene Unternehmen überhaupt für eine Zukunft mit generativer KI ist. 

Symbolbild zu KI und Kreativität – Mensch und KI zusammen liefern blended creativity
KI kann nicht kreativ, hört man oft. Stimmt, sie kann uns allerdings helfen, unsere eigene Kreativität auf ein neues Level zu heben. Quasi: blended creativity

Zuerst die gute Nachricht: GenAI ist in deutschen Unternehmen angekommen. Die Firmen stehen in den Startlöchern: 85 Prozent der Befragten nutzen in ihren Teams Text-KI. Die Haltung gegenüber KI ist positiv: 80 Prozent berichten von guten Erfahrungen mit der neuen Technologie.

Es gibt aber auch weniger gute Nachrichten: 6 von 10 Befragten beschreiben ihr eigenes Unternehmen als „KI-unreif“. Dabei ist eine Mehrheit von 63 Prozent der Meinung, dass KI die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen stärken kann. Hier gibt es also (berechtige) Sorge, den KI-Anschluss zu verpassen. 

Wie lässt sich diese fehlende „AI Readiness“ erklären? In vielen Unternehmen fehlt es an einer Strategie, wie man KI sinnvoll implementiert, Use Cases, die über den Gedanken der Effizienzsteigerung hinausgehen, sind noch kaum bekannt. Es hakt vor allem bei zwei wesentlichen Eckpfeilern der AI-Readiness: KI-Ausbildung wird laut den Befragten von knapp der Hälfte der Unternehmen gar nicht oder nur etwas gefördert, über die Hälfte der Unternehmen haben keine KI-Guidelines.

Immerhin sagt jede:r Zweite, dass KI kreative Prozesse unterstützen kann. Und das ist wiederum eine großartige Nachricht, denn wir erleben aktuell eine nie dagewesene Content-Schwemme. So haben in den vergangenen eineinhalb Jahren KI-User:innen mit Hilfe von Text-zu-Bild-KIs wie Midjourney über 15 Milliarden Bilder erzeugt. 150 Jahre haben Fotograf:innen gebraucht, um die gleiche Menge an „echten” Fotos zu produzieren. 

Wer KI jetzt also nur einsetzt, um einfach noch mehr (irrelevanten) Content in immer kürzerer Zeit zu produzieren, tut sich keinen Gefallen: Abheben aus der Masse wird man sich damit nicht. Stattdessen geht es mehr denn je um Unverwechselbarkeit und den dafür unabdingbaren Ideenreichtum. Kurz: um Kreativität. Und auch hier hilft uns generative KI.

GenAI-Tools als kreative Sparringspartner 

Wenn man ChatGPT fragt, wo es bei der kreativen Arbeit im Marketing unterstützen kann, gibt das Tool folgende spannende Antwort: „ChatGPT kann als kreativer Sparringspartner im Marketing wertvolle Unterstützung bieten, indem es den kreativen Prozess bereichert und neue Ideen liefert.“ „Neue Ideen“ liefert ChatGPT zwar streng genommen nicht – schließlich puzzeln die KI-Tools, basierend auf Wahrscheinlichkeiten, lediglich neu zusammen, was sowieso schon in der Welt ist. 

Das ist aber auch nicht der entscheidende Punkt. Die Magic liegt hier eher in unserem Ping-Pong mit der KI, im Sparring. Wenn man im Hinterkopf behält, dass wir die KI entsprechend anweisen und steuern müssen, ist sie ein erstklassiger Partner, um unserer Kreativität den KI-ck zu geben. (Niemand hat gesagt, dass in dieser Kolumne flache Sprachwitze verboten sind.) 

Im Kreativprozess hilft uns KI insbesondere dabei,

  • die Perspektive zu wechseln,
  • alte Denkpfade zu verlassen und neue zu beschreiten
  • und die richtigen (Rück-)Fragen zu stellen.

Kreativ arbeiten mit KI setzt einiges voraus: Zunächst kommt es auf präzises und zielgerichtetes Prompting an, und auch das Thema Datenschutz bleibt hochrelevant. Kurzer Reminder: Vertrauliche Pitch-Decks oder sonstige Firmengeheimnisse kann man im KI-Game aktuell nur mit Microsoft Copilot Pro oder einem eigenen Konzern-GPT bearbeiten, nicht aber in ChatGPT oder Perplexity. Alle Daten, die wir in ein offenes KI-System eingeben, sind zumindest theoretisch öffentlich und können in den Ergebnissen anderer Anwender erscheinen. Auch personenbezogene Daten gehören nicht ins Eingabefeld.

Kreativ arbeiten mit KI – drei Etappen im Kreativprozess

Schauen wir uns beispielhaft einmal den Kreativprozess für eine Kampagne zur Markteinführung einer Limo an. Es geht los mit der Recherche- und Inspirationsphase, in der wir KI genauso einsetzen können wie für die darauf folgende Entwicklungsphase der Kampagne. Last but not least machen wir mithilfe von KI den Check: Ist das Konzept wasserdicht und passt es wirklich zur Zielgruppe?  

Schritt 1: Inspiration

Wer den Kreativprozess mit einer Recherche starten will, kann dafür ChatGPT nutzen (Factchecking nicht vergessen!). KI-Tools wie Perplexity sind hier aber (noch) besser geeignet. Sie geben verlässlich Quellen an, helfen dank weiterführender Fragen beim Abtauchen in die Tiefe der Materie und öffnen so die besagten möglichen neuen Denkpfade (Wer sich genauer für Perplexity interessiert, kann hier nachlesen). Auch der Wissensstand von Perplexity ist aufgrund des umfangreichen Internetzugriffs aktueller, vorausgesetzt, man nutzt einen bezahlten Pro-Account. 

Perplexity scheint noch dazu beim Prompting genügsamer zu sein als ChatGPT: Auch ohne Angabe einer Rolle, die das Tool einnimmt und die eigentlich immer in den Prompt gehört, entstehen zumindest bei nicht allzu schwierigen Fragestellungen schon sehr valide Ergebnisse. Ein einfacher Prompt mit einer pur gehaltenen Anweisung a la „Recherchiere Werbekampagnen aus dem Bereich Konsumgütermarketing mit besonderem Fokus auf Lebensmittel im Allgemeinen und Getränke im Besonderen“ reicht mitunter schon aus.

Die Trendanalysen, Zitate, Fallstudien und Konkurrenzanalysen, die man im ersten Schritt findet, lassen sich dann etwa in einem PDF verdichten, mit dem Sie wiederum ChatGPT oder die KI Ihrer Wahl (Copilot …) im weiteren Verlauf des Kreativprozesses per Upload „füttern“ können. Wer Copilot nutzt, kann die Daten zuerst auf dem eigenen OneDrive speichern und sie dann zum Beispiel über Word dem Copilot als Referenzdokument zur Verfügung stellen.

Schritt 2: Kampagnen-Entwicklung

Mit den allgemeinen Prompt-Regeln wie Präzision, Rollenvergabe, Zielgruppen- und Zieldefinition im Hinterkopf, bauen wir jetzt das Briefing für, zum Beispiel, ChatGPT (das folgende Prompt-Beispiel ist übrigens auch in Zusammenarbeit mit ChatGPT entstanden): 

Du bist ein versierter Marketing-Profi im Konsumgüterbereich. Eine neue Limonade, bestehend aus 100 % natürlichen und regionalen Zutaten, zuckerarm, nachhaltig in Deutschland produziert und gesundheitsfördernd, steht kurz vor der Markteinführung. Entwickle dafür eine ungewöhnliche Werbekampagne, die unsere Werte spiegelt und unsere Zielgruppe – gesundheitsbewusste Verbraucher im Alter von 20-50 Jahren – neugierig auf das Produkt macht sowie Aufmerksamkeit dafür generiert. Unkonventionelle und mutige Ansätze sollen das Ergebnis sein. Nenne 10 originelle und kreative Ideen für eine solche Werbekampagne. Berücksichtige dabei verschiedene Kanäle (z.B. Social Media, Events, Guerilla-Marketing, Influencer-Kooperationen) und Ansätze (z.B. interaktive Erlebnisse, humorvolle oder emotionale Storytelling-Elemente, edukative Inhalte).“

Hier beschreiben wir also erst die übergreifende Aufgabe, dann die Details. Durch Konkretisierungen wie „Guerilla-Marketing“ oder „interaktive Erlebnisse“ wird die Bandbreite der möglichen Ideen geklärt, die Betonung legen wir je nach Fokus auf Emotion und Erlebnisse oder lassen humorvolle Storytelling-Elemente herausarbeiten. Es hilft, genau zu beschreiben, welche Art von Ideen wir suchen, das triggert den entsprechenden Output. Nennen Sie die Zielgruppe und das Kampagnenziel – sonst tappt ChatGPT im Dunkeln und kommt mit eigenen Lösungen um die Ecke. 

Wenn Sie gleich zu Beginn steuern möchten, wie kreativ die Antworten der KI sein sollen, können Sie den Temperaturprompt ausprobieren: Ergänzen Sie am Ende des Prompts „Temperatur: (Zahl von 0 – 1)“. Ein Wert, der näher an der 0 liegt, liefert eher konservative Ergebnisse. Kreativer und unkonventioneller wird es, wenn man etwas Richtung 1 angibt. 

Sobald wir das erste Ergebnis haben, nutzen Sie die folgenden Prompt-Runden zum Verfeinern der Idee im selben Thread. Mögliche Richtungen sind: 

  • In die Tiefe graben: Bitten Sie ChatGPT zum Beispiel, besonders spannende Teile der Idee zu verfeinern und auszuarbeiten: Das kann konkrete Social-Media-Formate, passende Influencer:innen oder Kooperationspartner:innen umfassen oder auch Storys für Werbespots. 
  • Die Idee weiterentwickeln: Nutzen Sie den ersten Prompt und passen Sie ihn nach der ersten Runde zum Beispiel auf eine andere Zielgruppe oder Zielsetzung an. Oder lassen Sie sich Folgekampagnen entwickeln, basierend auf der ersten. Wer etwas Geduld und Zeit hat, kann so innerhalb kürzester Zeit einen ganzen Kampagnen-Kanon auf die Beine stellen. Sie können auch mal nachbohren und die KI challengen, indem Sie fragen, welche Kampagnen-Idee sie selbst besonders gut findet und warum. Manchmal führt das zwar in eine Sackgasse; manchmal erhält man so aber auch wertvolle Erkenntnisse darüber, was hinter bestimmten Empfehlungen der KI steckt. Daraus lernen Sie für den nächsten Prompt und generieren neue Ideen.
  • Storytelling integrieren: Lassen Sie ChatGPT verschiedene Storytelling-Ansätze für die Kampagne entwickeln. Sie können die KI bitten, eine Geschichte zu einem bestimmten Thema zu erzählen oder mehrere alternative Plots, Schlüssel-Botschaften und daraus abgeleitete Slogans zu entwickeln. 
  • Passende Visuals entwickeln: In ChatGPT können Sie auch gleich Dall-E 3 nutzen, indem Sie im bereits geöffneten Chat ein Visual-Briefing verfassen. Mehr zu den diversen Tools hier bei uns im GenAI-Glossar

Schritt 3: Feedbackschleife

Wenn Sie jetzt soweit zufrieden sind mit den Resultaten, kommt der harte Part: Zum Schluss lassen Sie die Kritik der Kolleg:innen, Manager:innen oder Kund:innen von der KI vorwegnehmen und Ihre Ideen auf Herz und Nieren prüfen und damit challengen.

Briefen Sie die KI zum Beispiel so: 

„Du bist ein Experte für Werbeslogans / Online-Marketing und dir wird folgendes Kampagnenkonzept vorgestellt: … Deine Aufgabe ist es, dieses kritisch zu hinterfragen. Lege dabei besonderen Wert auf 

  1. Inhalte und Storytelling generell
  2. Grad der Kreativität und Originalität
  3. Passung zur Zielgruppe
  4. … [ergänzen Sie hier, was Ihnen noch besonders wichtig ist]. 


Liste 15 – 20 (provokante) Fragen auf und gib direkt mögliche Antworten auf diese Fragen an, die mögliche Verbesserungsvorschläge für die Kampagne enthalten.“

Die KI behält hier garantiert einen mehr als kühlen Kopf und wird logische Lücken oder andere Unstimmigkeiten – so zeigt die Praxis – gewissermaßen gnadenlos aufdecken. Das hilft, die Strategie, die Kampagne, die Slogans und so weiter nochmal zu schärfen. Kreativ arbeiten mit KI heißt manchmal eben auch: Kill your darlings.

Zeit sparen dank Prompt-Recycling

Jetzt könnte man einwenden: „Wenn ich jedes Mal derart lange Prompts schreiben muss, damit die Ergebnisse einigermaßen passen, dann kostet mich das ja auch nicht weniger Zeit, als wenn ich gleich alles selber mache.“ Bis zu einem gewissen Grad mag das stimmen. Wenn man aber Aufgaben sammelt, die immer wieder anfallen, und hierfür gezielt Prompt-Hülsen entwickelt, die – auf den jeweiligen Fall angepasst – wiederverwendet werden können, wird ab dem zweiten Mal die Zeitersparnis messbar. Und schon sind wir doch wieder beim Thema Effizienzsteigerung. Kreativ, oder?

Bildquelle: Midjourney/Disruptive

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